„Mach es kaputt, bevor es dich kaputtmacht.“ Dieses Motto aus der 68er-Bewegung überträgt die Hauptfigur Kim aus Sarah Jägers Roman „Schnabeltier Deluxe“ auf ihr eigenes Leben. Aus psychologischer Sicht würde man sagen: Kim hat ein Aggressionsproblem. Kommt sie mit etwas nicht klar, schmeißt sie schon mal teure Kaffeemaschinen aus dem Lehrerzimmerfenster oder reißt alle Türen in der Wohnung heraus, in der sie allein mit ihrer Mutter lebt. Die Konsequenz ist, dass die Jugendliche von ihrer Schule fliegt und keine andere in der Stadt sie aufnehmen möchte. Ihre letzte Chance ist deshalb ein Neuanfang in der Provinz, bei dem Ex-Freund ihrer Mutter und dessen schrulliger Tante.
Wie Kim diesen Neustart meistert, zeigte die Autorin unseren Schülerinnen und Schülern aus den 9. Klassen bei einer Lesung in der Studiobühne. Dabei begegnete den Zuhörenden eine Geschichte, die von der Hauptfigur selbst geschildert wird. Kim entlarvt sich in ihrem Erzählen als aufmerksame Beobachterin und Analytikerin ihrer eigenen Situation, wodurch sie trotz ihrer aggressiven Ausbrüche zunehmend sympathischer wird. Denn durch diese Erzählperspektive stehen nicht die Hintergründe für Kims Probleme im Vordergrund der Handlung, sondern viel mehr deren Ringen darum, diese letzte Chance nicht zu „vermasseln“, wie sie es selbst formuliert. Und so macht sie die Erfahrung, dass es auch einem „Schnabeltier“ wie ihr – also einem Sonderling, den man nirgends richtig einordnen kann – möglich ist, Menschen an sich heranzulassen, Freundschaften zu knüpfen und einen eigenen Weg zu finden.
Susanne Posekardt